Geschichte der Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier


Unser Arbeitsrecht

Gründungstabelle

Karl Höger

 

Von Anfang

15. Dezember 1873

1. Mai 1890

1914

4. November 1918

März 1921

1934

1920

21. Februar 1934

1939

1945

18. April 1945

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Holzpresse aus dem 18. Jahrhundert. Auf dieser Presse erlernte der nachmalige Kaiser Joseph II. als junger Erzherzog den Buchdruck (Technisches Museum für Industrie und Gewerbe Wien)


Da haben wir sie also:
Unsere Geschichte, unsere Vereinsgeschichte. Von ihr können wir uns nicht trennen. Sie ist ein Teil von uns, wir sind ein Teil von ihr. Sie beginnt für uns 1842 mit der Gründung des Unterstützungsvereins für erkrankte Buchdrucker und Schriftgießer in Wien. Sie waren damit die ersten Arbeitergruppen, die sich gegen Not und Elend eine Interessenvertretung schufen, eine Basis für die heutige Gewerkschaft. Ähnliches geschah auch in den übrigen Kronländern, wo als letzter der Zentralisierte Buchdrucker- und Lithographenverein "Ognisko" 1879 ins Leben gerufen wurde. Frühere Versuche, etwa die unter der Herrschaft der Prinzipalswillkür stehende Kranken- und Sterbekasse der Buchdrucker in Linz (1803) oder jener Versuch der Innsbrucker Kollegen (1828), der am Finanziellen scheiterte, bleiben dabei unberücksichtigt. Sie seien angeführt, weil sie in eine Zeit fallen. da die "Herren Künstler, die ,Intelligenten Typographen' in der Metropole des Reiches, in Wien, in unverzeihlicher Untätigkeit verharrten", was ihnen wohl zu Recht eine herbe Beurteilung seitens der Chronisten einbrachte.

Am 9. August 1848 wurde der Beschluss gefasst, einen "Gutenbergverein der Buchdrucker Wiens" zu gründen, nicht zuletzt, um hinter die Abmachungen doch mehr Kraft zu stellen. Bemerkenswert sind einige Punkte aus dem Arbeitsprogramm:

  • Gleichstellung der politischen Rechte der Arbeiter mit den anderen Ständen;
  • Einsetzung eines Arbeitsministeriums, in dem Arbeiter und Unternehmer vertreten sein sollen;
  • vollkommen freie Gewerbeberechtigung;
  • Festsetzung einer kürzeren Arbeitszeit;
  • Schaffung von Kranken- und Invalidenkassen mit staatlicher Beihilfe;
  • Überreichung der Ergebnisse des Arbeiterparlaments an den Reichstag mit der Forderung, die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeiter Österreichs zu berücksichtigen, respektive ihnen gerecht zu werden.

Diese Programmpunkte legen doch ein beredtes Zeugnis davon ab, dass unsere Kollegen schon vor rund 150 Jahren nicht nur die Bedeutung der Arbeitszeitverkürzung, sondern auch den Wert der Bildung der Arbeiter und der Schaffung einer staatlichen, sozial gehobenen Umwelt erkannt haben. Die Unterstützung der Armen und Alten blieb noch lange im Wirkungsbereich der Arbeitervereine. Und das nur unter gewaltigen Schwierigkeiten. So wurden beispielsweise der Gutenbergverein in seiner Tätigkeit noch 1848 behördlicherseits stillgelegt, am 11. Februar 1850 ein Invalidenfonds gegründet, am 15. März 1852 der Gutenbergverein sowie der Invalidenfonds von Staats wegen aufgelöst und erst 16 Jahre später an die Nachfolgeorganisation "Allgemeiner Unterstützungsverein für erkrankte Buchdrucker und Schriftgießer in Wien" zurückerstattet. Das sei nur als Beispiel für das ständige Auf und Ab angeführt, da man den Unterstützungsaufgaben oft nur recht und schlecht und in Abhängigkeit vom Spendenwillen der Kollegen und Prinzipale nachkommen konnte, was natürlich auch für die anderen einschlägigen Berufsgruppen galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unterstützungswesen fortgesetzt, ein Zusatzfonds gebildet und bis 1965 erhalten.

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Von Anfang
an macht unsere Geschichte den unersetzbaren Wert einzelner mutiger, zukunfts- und zielbewusst agierender Funktionäre oder auch kleiner, gleichgesinnter Kollegengruppen für die Organisation deutlich: Das gilt heute in gleicher Weise wie im vorigen Jahrhundert. Genauso müssen wir aber auch erkennen, dass die großen Erfolge in der Vertretung der Interessen der Mitglieder nur von diesen im gemeinsamen, geschlossenen Vorgehen erreicht werden können. Streiks müssen nicht das Zeichen großer Stärke sein. Das zeigte schon der erste arbeitsrechtliche Kampf: Am 6. Februar 1870 musste den Kollegen in einer allgemeinen Buchdrucker- und Schriftgießerversammlung mitgeteilt werden, daß ihre berechtigten Forderungen vom Gremialvorstand zurückgewiesen worden seien.

Am 7. Februar 1870 kündigen die Kollegen in einer ziemlich geschlossenen Aktion, am darauf folgenden 19. Februar erfolgt ihr Austritt, am 19. März 1870 kehren die Zeitungsarbeiter mit einigen Zugeständnissen geködert und nach Ausflüchten suchend - wieder an ihren Arbeitsplatz zurück. Die Unternehmer haben Oberhand gewonnen.

So würde das heute wohl nicht laufen. Aber es war eben ein weiter Weg bis zur heutigen starken Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier, die in ihrer Geschlossenheit so bahnbrechende Erfolge auf dem Verhandlungsweg erwirken konnte, wie den für Europa beispielgebenden ITS-Kollektivvertrag (1981) oder die erste Arbeitszeitverkürzung in Österreich hin zur 35-Stunden-Woche (1985: von 40 auf 38 Wochenstunden) sowie weitere Schritte der Arbeitszeitverkürzung bis zur 34-Stunden-Woche (ab 1997, 4. Schicht, graph. Gewerbe), und zwar bei vollem Lohnausgleich und ohne jedwede Flexibilisierung der Arbeitszeit.

Zunächst aber ging es noch um kollegiale Hilfestellungen, um Unterstützungsvereine bei allen Beschäftigtengruppen im Druckerei-/Buchbindereibereich Wiens und der "Provinzen", den Kronländern beziehungsweise späteren Bundesländern. Alle hatten ihre eigene, wenn auch durch behördliche Auflösungen und Verhaftungen von Funktionären durchaus ähnliche Geschichte mit ähnlichen Erfolgen, Misserfolgen und Erkenntnissen. Eine Zentralisierung unserer vielen Arbeitervereine für effektivere Verbandsaktivitäten wurde von der Kollegenschaft schon bald angestrebt, aber behördlicherseits wurde jede dieser frühgewerkschaftlichen Bemühungen massiv unterdrückt. Um wenigstens lose Verbindungen zu den Kronlandsvereinen herzustellen, wählten die Buchdrucker die Bildung einer durch den Staat nicht bewilligungsbedürftigen Kommission. Ein weiterer wirksamer Schritt in Richtung Vereinigung der vielen Verbände ist in der Gründung des Graphischen Kartells am 15. April 1921 zu sehen.

Dieses fasste den Verband der Vereine der Buchdrucker und Schriftgießer und verwandter Berufe Österreichs (einschließlich der bei den Wiener Zeitungen Beschäftigten), den Reichsverein der Hilfsarbeiter des Buchdruck- und Zeitungsgewerbes Österreichs, den Österreichischen Senefelderbund und den Verein der Buchbinder und Papierarbeiter Österreichs zusammen. Mit Beginn des Jahres 1923 konnte schließlich der auf dem ordentlichen Verbandstag am 17. Dezember 1922 gegründete Reichsverein - also die Vereinigung aller Gehilfen und Hilfsarbeiter - seine Arbeit aufnehmen. So sehr unsere nunmehr über 150jährige Vereinsgeschichte eine Geschichte des Weges zu einer starken Gewerkschaft ist, so sehr lehrt sie uns, sie weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart oder Zukunft aus dem allgemeinen Zeitrahmen herauszulösen. Die Situation der arbeitenden Menschen im Vormärz spottet nahezu jeder Beschreibung - zum Verständnis seitens der heutigen Kollegenschaft. Die am Anfang des 19. Jahrhunderts und auch in der Folgezeit in den "Kunsttempeln" Konditionierenden galten als "Subjekte" und "Knechte" niedrigster Kategorie. Sie standen in totaler Abhängigkeit von ihrem Prinzipal. Die täglichen Arbeitszeiten lagen bei 12 bis 16, selten unter 14 Stunden. Auch sonntags, selbstverständlich. Ein Fernbleiben wegen Krankheit war nicht selten gleichbedeutend mit Arbeitsplatzverlust sowie unbeschreiblicher Verarmung des Betroffenen und seiner Familie.
Überhaupt: Arbeitslosigkeit, Hunger und Wohnungsnotstand waren so wie ruinöse Kinder- und Frauenarbeit die Merkmale der wirtschaftlichen Situation in der k.u.k. Monarchie. In den Betrieben bestimmten ausschließlich die Prinzipale Lohn- und Arbeitsbedingungen, was wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf. Dabei hatten die Buchdruckergehilfen in ihrem Postulat, der Zunftsordnung, eine Position erworben. Da das Buchdruckergewerbe den Universitätsrektoraten unterstand, bedeutete dies - verglichen mit anderen traditionellen Zunftsordnungen - mehr Freiheiten und Rechte. Doch wurde das Aufsichtsrecht der Universitäten - so in Wien 1767 - aufgehoben. Die ganze Lage der Arbeiter im Vormärz macht es nur zu verständlich, dass in dieser Phase die Sorge den Ärmsten der Armen, vor allem den Kranken, galt. Dieses Los konnte aber natürlich jeden ereilen. Es entstanden also zunächst vom Solidaritätsgedanken, wohl aber zum Teil auch von den Überlegungen zum eigenen Wohl getragene und unter Unternehmerbeteiligung stehende Unterstützungsvereine.

Wir kennen das aus der Geschichte der österreichischen Arbeiterschaft, mit der wir unsere Vereinsgeschichte untrennbar verbunden sehen, was als eine weitere bedeutende Erkenntnis gelten mag. Das gemeinsame Schicksal, so die Revolution 1848 mit ihren anfänglichen, doch nur temporär wirksamen Erfolgen und dem späteren Sieg der kaiserlichen Kamarilla, dem behördlichen, sich gegen alle Einrichtungen der Arbeiterschaft richtenden Terror - Vereinsauflösungen, Beschlagnahmungen von Vereinsgeldern und Verhaftungen von Wortführern standen auf der Tagesordnung - verbinden naturgemäß. Aber auch gemeinsame Erfolge, etwa die Erlangung des Vereins- und Versammlungsrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bewirken unauflösliche Gemeinsamkeiten. Als Erfahrung aus unserer Geschichte gehört die Loslösung von der Idee der Selbsthilfe im Sinne von Hermann Schulz-Delitzsch, die so beschrieben wird: "Die Arbeiter sollten vom selbständigen politischen und gewerkschaftlichen Kampf abgehalten und zu einem beifallklatschenden Chor für die Politik der Bourgeoisie degradiert werden. Dahinter stand auch der Versuch, den Abstieg des Handwerkerstandes zu stoppen. Weiters sollten die Arbeiter zunächst zu selbständigen Bürgern und dann zu Unternehmern gemacht werden. Ein romantisches, rückwärtsgewandtes Gesellschaftsbild, das in lauter Kleinunternehmen ohne Ausgebeutete das Ideal sah." Schulze-Delitzsch vertrat die Meinung, dass alle Missstände auf dem Boden der kapitalistischen Gesellschaftsordnung durch Selbsthilfe gelöst werden könnten. Es wird dies hier angeführt, weil es durchaus aktuelle Gleichnisse gibt: Denken wir doch an die kollektiv errungenen Abfertigungen, die etwa zur Lösung von betrieblichen Personalproblemen auf typische kapitalistische Art und Weise - von Unternehmern noch erhöht und von den Dienstnehmern unter Verzicht auf Arbeitsplatz- oder Arbeitsrechtsicherung angenommen und in die Gründung eines Kleinbetriebes investiert werden. Das liegt weder im Sinne des Kollektivvertrages noch entspricht dies unserem Geschichtsverständnis. Auch wenn der oben Zitierte in seinem Referat meint: "In Österreich hatten die Selbsthilfler ihre Stütze im 1864 gegründeten Fortbildungsverein der Buchdrucker."

Selbstverständlich stand auch der Fortbildungsverein des Jahres 1867 dem Unterstützungs- und Selbsthilfegedanken nahe. Alles in allem genommen deckt sich der Vereinsgedanke doch nicht mit einer strengeren Interpretation der Selbsthilfe-Idee Schulze-Delitzsch. Außerdem folgte am 26. Dezember 1867 der am 15. Dezember 1867 abgehaltenen konstituierenden Versammlung des allgemeinen Arbeiterbildungsvereines - wo den Selbsthilflern eine Absage erteilt wurde - eine Versammlung der Buchdrucker, bei der Anhänger Lasalles geistig den Sieg errangen, eine Voraussetzung "zu der großen Bewegung, die Buchdrucker in ihrer überwiegenden Mehrheit der Idee der Sozialdemokratie zuführte". Und damit stoßen wir auf ein anderes, nicht nur von unserer Geschichte geschriebenes Gesetz: Es ist - auch in einem demokratischen Staat - nicht möglich, gesellschafts- oder wirtschaftspolitische Veränderungen im Sinne einer Besserstellung der arbeitenden Menschen allein mit und sei es bester Gewerkschaftsarbeit zu realisieren. Natürlich ist die indirekte Einflussnahme durch Gewerkschaftsvertreter in der Arbeiterkammer, auf partei- und wirtschaftspolitischen Ebenen nicht mehr wegzudenken und auch unersetzbar. Aber ebenso durch nichts ersetzbar ist das politische Engagement eines Verbandes und des einzelnen Arbeitnehmers in jener Gruppe, deren Ideologie seine Interessen im tages- und staatspolitischen Geschehen vertritt. Die Aufgaben der Gewerkschaften waren vornehmlich materieller Natur, sie galten der Abdeckung von Grundbedürfnissen. So zogen unsere Kollegen verhältnismäßig früh in den Kampf nicht nur mit den Prinzipalen, sondern engagierten sich auch an der politischen Front. Sie waren dabei nicht auf sich alleine gestellt.

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Am 7. April 1870 konnte die österreichische Arbeiterschaft einen großen Erfolg verzeichnen. Das Koalitionsgesetz, eine jahrelange Forderung, war in Kraft getreten. Ganz allgemein gilt dies als Start für die Bildung der legalen Gewerkschaftsbewegung, wenn es auch anfänglich durch zu enge Auslegung der Bestimmungen zu großen Schwierigkeiten für die Arbeiterverbänden kam: In Wien und in den Kronländern lösten die Behörden Arbeiterbildungs- und Fachvereine auf. Das führte in Wien zu gewaltigen Demonstrationen und Streiks, gegen die Militär eingesetzt wurde. Sogar die für Wien zuständige niederösterreichische Handels- und Gewerbekammer protestierte gegen dieses Vorgehen.

Die allgemeine Ablehnung des ministeriellen Terrors brachte schließlich Verhandlungsbereitschaft der Behörden. "Die Arbeiterschaft bestand darauf, dass die Truppen und die Polizeimannschaften zurückgezogen werden sollten und die Vereine wieder reaktiviert werden können. Die Arbeiter würden dann ihre Protestdemonstrationen einstellen. Und mit ihrer mutigen Haltung erreichte die Arbeiterschaft ihr Ziel: Die Statthalterei erklärte, dass der Neubildung von Vereinen keine Hindernisse in den Weg gelegt würden. Die Arbeiter begannen nun überall Gewerkschaftsvereine zu bilden und auszubauen." Dann ging die Behörde wieder einmal im Interesse der Unternehmer gegen unsere Organisation vor: Sie löste im November 1872 den Fortbildungsverein wegen angeblicher Statutenverletzungen auf, und die Prinzipale jubelten in dem Glauben, ihre Gegner seien nun geschwächt. Aber das Gegenteil trat ein: Noch im Dezember wurde im Rahmen einer massenhaft besuchten, in den Wiener Sofiensälen veranstalteten Generalversammlung der Verein der Buchdrucker und Schriftgießer Niederösterreichs mit einer Unterstützungs- und Fortbildungssektion ins Leben gerufen, der "ein Gewerkschaftsverein in besten Sinne des Wortes werden sollte" (E. Narozny, "1842-1967").

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15. Dezember 1873

Am 15. Dezember 1873 erwarb übrigens der Verein der Buchdrucker und Schriftgießer Niederösterreichs den Schrammhof, damals noch in einer Wiener Vororteregion gelegen, vom Standpunkt her aber noch heute Sitz der Zentrale der Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier. Das Haus musste um- und augebaut werden, um dann ab dem 7. Juni 1874 der im Besitz der Kollegenschaft stehende Sitz des Vereines mit der Bibliothek und einem großem Lese- und Sitzungssaal zu sein. Noch vor der Jahrhundertwende genügten die Räumlichkeiten allerdings nicht mehr. Ein Umbau hätte keine zufriedenstellende Lösung gebracht, so dass eine Generalversammlung am 21. März 1897 den Abriss des alten Schrammhofes beschloss, um an seiner Stelle einen neuen, größeren, auch zukünftig wachsenden Anforderungen gerecht werdenden Bau zu errichten.

Die Finanzierung erfolgte durch die Mitglieder, die sechs Jahre hindurch wöchentlich 20 Heller zusätzlich entrichteten. 1901 wurde die feierliche Grundsteinlegung vorgenommen, und im August 1902 fand die Eröffnungsfeier statt. Den Ankauf eines Vereinshauses hatten 1895 auch die Vereine der graphischen Fächer und verwandten Berufe Österreichs beschlossen. Es handelte sich um das Haus in Wien 7, Myrthengasse 16. Es wurde zum Schätzwert von 39.500 Gulden (mit einer Hypothekenschuld von 13.949 Gulden) erworben und über den Beschluss des Senefeldervereines für Niederösterreich 1905 wieder verkauft.
Die Senefelder zogen in das neue, schöne Heim in der Zieglergasse. Schon vor dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts erkannte die österreichische Arbeiterschaft auch immer deutlicher die Notwendigkeit von internationalen gewerkschaftlichen Verbindungen. Internationale Fachkonferenzen wurden abgehalten, auch kamen internationale gewerkschaftliche Verbindungen zustande.

In das Jahr 1889 fällt die Gründung des internationalen Buchdruckersekretariats (IBS) in Paris. Sie wurde von den Delegierten zum ersten internationalen Fachkongress beschlossen. Diese befassten sich ferner auch mit der Schaffung eines internationalen Widerstandfonds und stellten einen Katalog fortschrittlicher Forderungen auf, etwa nach dem Achtstundentag, nach einem Verbot der Kinderarbeit beziehungsweise nach Einschränkung der Arbeit von Minderjährigen, nach Verbot beziehungsweise Einschränkungen der Nachtarbeit sowie nach einer mindestens 36 Stunden währende Ruhezeit wöchentlich.

Das Jahr 1890
begann für die österreichische Arbeiterschaft äußerst bedeutungsvoll: Am 1. Jänner kam es zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, die für viele Arbeiter zur politischen Heimat wurde. Bei den ersten Wahlen zum Reichsrat im Jahre 1897 waren alle männlichen österreichischen Staatsbürger, die das vierundzwanzigste Lebensjahr überschritten hatten, ohne Einschränkungen wahlberechtigt. Welchen Anteil die Buchdrucker an den damaligen politischen Verhältnissen hatten, zeigt wohl am deutlichsten die Tatsache, dass von den sechzig Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei zehn Mitglieder unserer Gewerkschaft waren.

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1. Mai 1890
Zu einem ganz großen Ereignis gestaltete sich dann der 1. Mai 1890. Die Buchdrucker Wiens versammelten sich am Vormittag in den Sälen "Zu den drei Engeln", um die Beschlüsse der Pariser Fachkonferenz 1889 zu akzeptieren und dann dem 1. Mai als arbeitsfreiem Tag jene Symbolik zu geben, die er für uns noch heute hat. Politisch hart kämpfte die österreichische Arbeiterschaft um ein allgemeines, gleiches Wahlrecht. Auf dem Weg zum Durchbruch sollte an die große Wahlrechtsdemonstration in Wien (28. November 1905) erinnert werden, die von Massenveranstaltungen im ganzen Reichsgebiet begleitet war. In Wien hatten Betriebe und Geschäftslokale gesperrt, und in einem fünfstündigen Marsch bewegten sich an die 250.000 Menschen schweigend am Parlament vorbei. Allen voran die Buchdrucker.

Sie sollten als erste in die Betriebe zurückkehren können, um etwaige Flugblätter zur Information der Bevölkerung herstellen zu können. Oskar Helmer formulierte: "Um 8 Uhr früh wurde jedweder Verkehr lahmgelegt, erst um 10 Uhr erreichte die erste Gruppe das Parlament. In diesem Augenblick durchbrach die Sonne die Wolkendecke. Herrlich, grandios wirkte dieser Strom von kampfentschlossenen Menschen, der sich über die Wiener Ringstraße wälzte. Erst gegen 15 Uhr zogen die letzten Demonstranten am Parlament vorbei: Die Durchbruchsschlacht für das allgemeine Wahlrecht war gewonnen." Es gab dann allerdings noch ein etwa zwei Jahre dauerndes Hin und Her, ehe Kaiser Franz Joseph am 26. Jänner 1907 das neue, noch immer gewisse Einschränkungen beinhaltende Wahlrecht sanktionierte. Aber die Privilegien waren gefallen. Zufolge einer Nachwahl wurde Kollege Karl Höger Reichsratsabgeordneter. Weiters hatten die Wahlen selbst eine Entsendung der Buchdruckerkollegen Josef Hudes (Lemberg), Franz Beutel (Aussig), Anton Nemec (Prag), Wilhelm Nießer (Brünn), Johann Oliva (Triest) und Julius Spielmann (Linz) gebracht. Politisches Engagement und Übernahme von öffentlichen Funktionen war für unsere Kollegen - und das hat volle Gültigkeit bis in die Gegenwart - nie ein Dienst der Selbstgefälligkeit oder Lukrativität, sondern bedeutete und bedeutet für sie ernsthafte Auseinandersetzung mit den meist nicht zu gering bemessenen Aufgaben.


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Franz Jonas im Gespräch mit einigen Funktionären


Uns bekannte Namen seien als Beispiel der jüngsten und gegenwärtigen Geschichte angeführt: Franz Jonas, Wiener Bürgermeister und dann Bundespräsident; Anton Proksch, Sozialminister; der schon erwähnte Oskar Helmer, Innenminister; Dr. Josef Staribacher, Handelsminister, Rudolf Edlinger, Finanzminister, die Zeit ihres Lebens unserer Gewerkschaft die Treue gehalten haben, bis zu den heutigen Funktionären, wie Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse; Herbert Bruna, ehem. Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse; Franz Murmann, Funktionär in der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter sowie Karl Schwarz und Helmuth Lawitz, die gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen als unser Vertreter in den Arbeiterkammern fungier(t)en.

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1914
1914 war es klar: Diese Hoffnungen konnten nicht erfüllt werden. Mit der Mobilisierung wurden 1200 Kollegen spontan aus graphischen Betrieben gerissen, und doch mussten im September 1914 bereits 1100 Arbeitslose gezählt werden. Schon zuvor, im August, musste die Organisation die Kranken- und Arbeitslosenunterstützung einstellen. Ende 1915 registriert der niederösterreichische Verein (Ende August 1914: 6750 Mitglieder) 3415 Eingerückte (2503 Setzer, 762 Drucker, 150 Schriftgießer). 184 Kollegen blieben auf den Schlachtfeldern. Von den Senefeldern (Ende Juni 1914: 2570 Mitglieder) waren Ende März 1916 - 1155 Kollegen ins Feld gezogen, 119 mussten dort ihr Leben lassen. Die Beschäftigungslage war also trist, besserte sich in der Folgezeit zwar, aber die allgemeinen Lebensbedingungen wurden immer schlechter. Einzelpersonen und ganze Belegschaften wurden zur Kriegsdienstleistung herangezogen - Beschäftigungen, die weit außerhalb jedes gewerkschaftlichen Einflusses standen. Über Forderungen eines 1916 von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und den Freien Gewerkschaften einberufenen Arbeitertages wurden Beschwerdekommissionen zur Regelung von Lohn- und Arbeitsverhältnissen der Kriegsdienstleistenden installiert. Unter anderem wurde bestimmt, dass sich der Beschwerdeführer auch durch Berufsgenossen oder Berufsvereinigungen vertreten lassen könne. Das kommt einer ersten gesetzlichen Anerkennung der Gewerkschaften als Rechtsvertreter ihrer Mitgliedern gleich. In Wechselwirkung zu den verheerenden Begleitumständen und Folgen des Ersten Weltkrieges betrachtet, fällt es allerdings schwer, sich über diesen Erfolg zu freuen. Aber neben der bedauernswerten Tatsache, dass die internationalen Verbindungen der Arbeiterparteien und Gewerkschaftsverbände den Kriegsausbruch nicht verhindern konnten, müssen wir noch eine Lehre aus dem tragischen Geschehen stellen: Problemanhäufungen oder Notstand dürften die Sinne der Mitglieder für Schuldzuweisungen trüben. So konnten in einer Zeit der Hochkonjunktur der Rüstungsindustrie für die Beschäftigten gewisse Lohnzuwächse erzielt werden, während für die im darniederliegenden Druckereigewerbe arbeitenden Kollegen nur einige meist unzureichende Teuerungszulagen realisiert werden konnten. So wurde in Fehleinschätzung der Sachlage die Organisationsleitung dafür verantwortlich gemacht. Bis in die Gegenwart erleben nun unsere Funktionäre und Sekretäre bei allen möglichen Anlässen ähnliches. Da werden etwa Betriebe von Besitzern und ihnen bestellten Geschäftsleitungen an den Rand des und leider häufig auch in den Abgrund geführt. Seitens unserer Gewerkschaft wird dann sofort versucht, die bestehenden Rechte der Mitglieder zu wahren. Kommt es dann aber aus irgendwelchen Gründen zu Verzögerungen der Auszahlung von zuerkannten Lohn-/Gehaltsanteilen, dann machen die betroffenen Kollegen für die Misere nicht den Eigentümer oder deren Geschäftsführung als Urheber der Betriebs- und Arbeitsplatzgefährdung verantwortlich, sondern ihre Gewerkschaft. Welche Fehleinschätzung. Vielleicht ändern die nächsten 150 Jahre unserer Geschichte dies in der Weise, dass der Blick unserer Mitglieder, die in beruflich schwierige Situationen geraten, klarer bleibt. Dabei kann man natürlich die Missgunst unserer Kollegen ihrer Gewerkschaft gegenüber noch mit einem gewissen Maß an Verständnis begegnen, soweit man dies mit Hunger, Not und Angst erklären kann. Immerhin waren bis 1918 die Höchstpreise für die Grundnahrungsmittel - die überdies nicht in ausreichender Menge zur Verfügung standen - um das Drei- bis Zehnfache (300 bis 1000 Prozent) angestiegen, während die Löhne der nicht in der Kriegsindustrie Beschäftigten nicht einmal verdoppelt wurden (60 bis 80 Prozent). Am 3. November 1918 wurde der Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und der Entente unterzeichnet. Die unter Dr. Karl Renner als erstem Kanzler gebildete Exekutive rief am 12. November 1918 die Republik aus, und im Februar 1919 fanden die ersten Nationalratswahlen statt. Der Vielvölkerstaat des Kaiserreiches war zerfallen. Kein Zweifel besteht wohl, dass der Weltkrieg die tragischste Problemlösung war, weil er - wie wir heute wissen - die Probleme nur zum Teil löste, zum Teil aber neue schuf. Die direkten Auswirkungen waren jedenfalls katastrophal, die wirtschaftliche Situation in dem neuentstandenen kleinen Staatsgebilde Österreich ist kaum beschreibbar. In dem allgemeinen, von Not gekennzeichneten Chaos war es den graphischen Betrieben nicht möglich, ihren Aufträgen - soweit es solche überhaupt gab - nachzukommen. Es mangelte an Papier und Arbeitsstoffen, der inländischen Papierindustrie fehlten vor allem auch die Produktionsmittel. Sorgenvolle Zeiten waren auch für unsere Gewerkschaft gekommen. An erster Stelle stand da das rapide Ansteigen der Arbeitslosen. So waren in der ersten Woche 1918 - 139 Kollegen zur Vermittlung vorgemerkt. In der zweiten Woche 421, die auf 760 anstiegen und zum Jahresende 1918 knapp die Zahl 1400 erreicht hatten.

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4. November 1918
Als Instrument gegen die Arbeitslosigkeit wurde mit 4. November 1918 vom Staatsamt für soziale Fürsorge die Installation einer effektiven Arbeitsvermittlung bestimmt. Arbeiter und Angestellte der Kriegsindustrie sowie heimkehrende Soldaten sollten umgehend an zeitgemäße Arbeitsplätze gebracht werden.

  • Mit 6. November 1918 wurde zum ersten Mal eine Arbeitslosenunterstützung zur Milderung der ärgsten Not eingeführt.
  • Mit 26. April 1919 wurde vorgesehen, dass Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten zwangsweise einen Arbeiter aufzunehmen hatten.
  • Ab Ende Mai 1919 zahlte jedes Mitglied unserer Gewerkschaft 5 Kronen für an Arbeitslose zu zahlende Unterstützungen.

Die schon in den früheren Kollektivverträgen der Buchdrucker anerkannten Vertrauensmänner erhielten durch das Betriebsratsgesetz vom 15. Mai 1919 eine gesetzliche Basis und Beschäftigtenschutz.
Auf freier Vereinbarung beruhend und an lange Dienstzeiten im Betrieb gebunden gab es für Beschäftigte in unseren Berufen häufig schon bescheidene, urlaubsähnliche Freizeitgewährungen. 1920 klang die Ära Ferdinand Hanusch aus. In der kurzen Zeitspanne von knapp zwei Jahren haben die Sozialdemokraten die Grundlage zum heutigen Sozialstaat Österreich geschaffen. Eine Leistung, die uns Heutigen noch Achtung abringen kann und uns eigentlich veranlassen sollte, mit eiserner Konsequenz hinter den heutigen Gesetzen, wie beispielsweise Arbeitsverfassungs- oder Arbeitszeitgesetz, zu stehen.
Nun aber war der Regierungskahn wieder ins alte Fahrwasser gelangt. "Die Christlichsozialen und Deutschnationalen fühlten sich mit fortschreitender Stabilisierung der Republik stark genug, den sozialdemokratischen Koalitionspartner aus der Regierung zu drängen. Durch ihren massiven Widerstand gegen die Vorschläge der Sozialisten zur Sanierung der Wirtschaft war die Wahrung der Interessen der Arbeiterschaft in einer gemeinsamen Regierung mit den Bürgerlichen nicht mehr möglich. Auch ein Weiterführen der Reformen war nicht mehr zu realisieren. Da von der Parteibasis her Widerstand gegen diese Koalition bestand, war es dann die logische Folge, dass die Sozialdemokraten im Herbst 1920 aus der Regierung ausschieden." Als ganz wichtiges Resultat einer gewandelten Sozialszene in Österreich war noch ein Alters- und Invaliditätsversicherungsgesetz erwartet worden. Aber das Unternehmertum war nun wieder erstarkt und ließ jede Bereitschaft zur Entrichtung einschlägiger Abgaben missen. Zwar wurde am 1. April 1927 ein Gesetz zur Durchführung der Altersfürsorge angenommen, jedoch in einer Fassung, die es praktisch undurchführbar machte, weil es an einen sogenannten Wohlstandsindex (Weniger als 100.000 Arbeitslose im Jahr) gebunden war. Was blieb, war eine Fürsorgeunterstützung für schon mehr als Bedürftige im Maße eines kläglichen Almosens. Es wäre schön und für die im konservativen Lager geistig Beheimateten angenehm, könnte man es bei diesen Feststellungen belassen. Aber das geht nicht, auch nicht bei einer noch so kurzen Skizzierung der Geschichte einer österreichischen Gewerkschaft, die sich als Teil der österreichischen Arbeiterschaft versteht. Der erzielte soziale Fortschritt hatte in den Feinden der Arbeiterklasse Hass entfacht, der sich gegen Sozialdemokratie und Gewerkschaft richtete. Und wie sich zeigen sollte, ging das bis zur Selbstvernichtung. So wurden in den Jahren nach dem Weltkrieg von den Christlichsozialen des Auslandes und der inländischen Industrie die Heimwehren organisiert. Anfänglich gegen Angriffe der Nachbarstaaten und gegen die Gefahren des Bolschewismus gegründet, wurden die Heimwehren immer mehr Instrument zur gewaltsamen Unterdrückung der Arbeiterschaft und Sozialdemokratie.

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März 1921
Was auf dem Weg der Wahlen nicht gelang, sollte durch brutalen Terror erreicht werden: Eroberung der Macht im Staat und Abschaffung des Parlamentarismus. Der Wirtschaft passte das ins Konzept. "Im März 1921 wurde in einer Sitzung des Hauptverbandes der Industriellen der Steiermark beschlossen, dass die Großbanken, die Industriellen und die Großgrundbesitzer jährlich fünf Millionen Kronen aufbringen werden, um die Heimwehr in der Steiermark schlagkräftig zu machen. So hatte zum Beispiel der Industriellenverband seine Mitglieder verpflichtet, ein Prozent der gesamten Lohnsumme an die Heimwehren abzuführen." Der Konzern der Leykam-Josefsthal AG stellte im Herbst 1922 allein den Betrag von 22 Millionen Kronen zur Verfügung. Etwa zu dieser Zeit deklariert sich die Heimwehr in einem Schreiben an die Mitglieder des Verbandes der Papier- und Zellulose-Industriellen: "Zu ihrer Orientierung teilen wir Ihnen ganz vertraulich mit, dass die eingehenden Beträge der gesamten Industrie Österreichs dazu verwendet werden, um die Heimwehr zu organisieren, damit im Falle einer Katastrophe unsere Werke geschützt werden." Das braucht man wohl nicht zu kommentieren. Aber auch die Anhänger des Legitimitätsprinzips (gesammelt in der "Ostara") sowie die Nationalsozialisten ("Deutsche Wehr") riefen antiparlamentarische Organisationen ins Leben, und als "Sammelbecken für alle Kreise, die sich die Pflege konservativer Ideale zum Ziel setzten, diente die "Frontkämpfervereinigung", die alle Schattierungen vom "Monarchisten bis zum Nationalsozialisten" umfaßte. Die Frontkämpfervereinigung trat als Saalschutz bei Aufmärschen in Erscheinung. Dieser Entwicklung begegneten die Sozialdemokraten mit der Bildung der Arbeiterwehr, ab Mai 1924 "Republikanischer Schutzbund". Als Ordnerorganisation und zur Verteidigung der Republik gedacht (militärische Leitung: General Dr. Theodor Körner), skizziert ihr Obmann, Dr. Julius Deutsch, das Ziel: "Die Arbeiterbewegung will den Weg zum Sozialismus friedlich zurücklegen. Die Ordnerorganisation soll dazu beitragen, dass dieser Weg von den faschistischen Wegelagerern freigehalten wird." Die "christlichsozialen" und konservativen Kampfgruppierungen radikalisierten die Szene aber zusehends und verhielten sich, als hätten sie einen staatlichen Freibrief für Terror und Mord. In einigen Mordfällen an Schutzbündlern gab es Freisprüche beziehungsweise geradezu lächerliche Strafen. So entwickelte sich in den zwanziger Jahren eine Bürgerkriegsstimmung progressiver Intensität, in der die Wut der Arbeiterschaft immer mehr an- und die Erträglichkeitsgrenzen der Sozialdemokratie überstieg. Von diesen Begleitumständen geprägt kam das Jahr 1927 nicht nur zu dem schon angeführten, wie zum Hohn und Spott der Betroffenen abgefassten Gesetz zur Durchführung der Altersfürsorge, sondern auch zu dem alle Gerechtigkeit spottenden Fehlurteil im Falle der Schattendorfer Morde. Der Hergang ist bekannt. Am 30. Jänner 1927 wurden bei einer sozialdemokratischen Kundgebung in Schattendorf (Burgenland) ein Kriegsinvalide und ein achtjähriger Bub von Angehörigen der Frontkämpfervereinigung erschossen. Diese leugneten das erst gar nicht lange: In den Abendstunden des 14. Juli 1927 erfolgte ihr Freispruch durch ein Wiener Geschworenengericht. Am Morgen des 15. Juli kam es dann zu Kurzstreiks der Elektrizitätsarbeiter und Straßenbahner. Die zornerfüllte Arbeiterschaft zog zum Ring, vor das Rathaus und Parlament, um gegen den Freispruch der Mörder zu demonstrieren. Im spontanen Auftreten der wütenden Menge kam es zum Zusammenstoß mit der berittenen Polizei, die sich vor der Übermacht in den Justizpalast zurückzog, wohin ihnen aber Demonstranten folgen konnten. "Aktenbündel wurden auf die Straße geworfen, brennende Papierbündel zurückgeschleudert, in kurzer Zeit stand der Justizpalast in Flammen. Erst mit Hilfe der inzwischen eingetroffenen Schutzbundabteilungen gelang es der Feuerwehr nach mehrmaligen Versuchen, zum Justizpalast vorzudringen." Die Bevölkerung war in hohem Maße aufgebracht. Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel lehnte eine politische Lösung zur Beruhigung der Situation (Koalitionsregierung über Vorschlag der Sozialdemokraten) strikte ab und ordnete an, Polizeipräsident Dr. Johannes Schober müsse die Unruhen mit allen Mitteln niederschlagen. 600 bewaffnete Polizisten töten so in einer etwa dreistündigen Schießerei 86 Menschen, unter ihnen auch Kinder, verwundeten an die 1000 Personen, auch vier Polizisten kostete das Gemetzel das Leben.

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1934
Die von Industrie, Banken und dem Ausland weiter tatkräftig unterstützten, auch von Bundeskanzler Dr. Ignaz Seipel geförderten Heimwehren wurden in der Folgezeit immer dreister in ihrem faschistischen Verhalten: Der Austrofaschismus zum Sturz der Demokratie 1934 in Österreich hatte seinen Anfang genommen. Auf dem Weg dorthin waren freie Gewerkschaften natürlich ein großes Hindernis. Also musste gegen sie und ihr Wirken etwas unternommen werden. Die Unternehmer und Großindustriellen versuchten, ihre Widersacher durch Bildung der sogenannten "gelben Gewerkschaften" zu spalten. Auch die Gründung der "Unabhängigen Gewerkschaften" (Mai 1928) unter der Ägide der grundsätzlich militant gegen die Sozialdemokraten und freien Gewerkschaften vorgehenden Heimwehren muss hier angeführt werden. Mit dem Antiterrorgesetz vom April 1930 schufen sich die heranwachsenden Diktatoren eine weitere Handhabe zum Niederschlagen der freien Gewerkschaften. Die Abwehr von Gegnern der Arbeiterbewegung galt als Terror, die Verhinderung von Gesetzesverletzungen oder die Verhinderung von Verschlechterungen sozialer Errungenschaften wurden als schwere Gesetzesübertretungen gewertet und unter Strafe gestellt. Weiters untersagte dieses durch und durch reaktionäre Gesetz das Inkasso von Gewerkschafts- oder Parteibeiträgen, diese konnten überdies für die Dauer von drei Jahren zurückgefordert werden. Die Werbung von Mitgliedern wurde als Terror ausgelegt. Wer ein Nichtmitglied darauf aufmerksam machte, dass es eigentlich unmoralisch sei, wenn er die gewerkschaftlichen Errungenschaften für sich nutzte, machte sich der vom Gesetz her verbotenen Einschüchterung schuldig, und die freiwillige Arbeitsannahme - also der Streikbruch - durfte nicht eingeschränkt werden. Zuwiderhandlungen wurden strikte bestraft. Dieses Gesetz richtete sich mit ganzer Kraft gegen die Arbeitnehmerschaft. Es wurde in keinem Fall gegen die den wahren Terror ausübenden Unternehmer angewendet. Wirtschaftskrise - Bekämpfung durch Zerschlagen der Arbeiterrechte? Rund 200.000 eine Unterstützung beziehende Arbeitslose und an die 40.000, die keinerlei Zuwendung erhielten, mussten Anfang 1926 gezählt werden. Im Jahre 1933 waren es 557.000, und der Anteil der Ausgesteuerten wurde immer größer. Unternehmer und Industrie versuchten mit allen Mitteln, ihren Besitzstand zu sichern. Dazu schien ihnen die Zerschlagung der Arbeiterrechte gerade recht zu sein. Der klassische kapitalistische Weg wurde eingeschlagen: Kündigungen, Kürzung der Löhne, Kurzarbeit, überhaupt Zerschlagen des schnell gewachsenen sozialen Fortschritts und als Voraussetzung dafür Niederwerfen und Auflösen der Sozialdemokraten und freien Gewerkschaften. Nachdem die Konservativen die hierfür notwendige Machtposition - wie schon angeführt wurde - auf dem Wege legaler Wahlen nicht erreicht werden konnte, mussten Not und Gewalt her.

Eine Zwischenbilanz
Bei dem Jahrzehnt nach dem Ersten Weltkrieg handelte es sich um eine Zeitspanne, in der in einer verhältnismäßig kurzen Phase gewaltige Fortschritte für die österreichische Arbeiterschaft erreicht werden konnten. Es war aber auch eine Zeit, in der eine unvorstellbare Inflation zu bewältigen und eine vernichtende Wirtschaftskrise zu verzeichnen war, die ein Ende der ansteigenden Not und des zunehmenden Elends nicht erkennen ließ. In diese Periode fiel aber auch der Beginn zur Sammlung der gewerkschaftlichen Kräfte unserer Kollegen, und zwar durch Vereinigung des Gehilfen- und Gewerkschaftsausschusses zu einer Personalunion. Taktische Fragen und die neue Organisationsform wurden festgelegt. Das Graphische Kartell fand Verwirklichung, ein wenig später der Reichsverein. Alle Arbeiter in den Betrieben sollten in einer Organisation zusammengefasst werden. "Daher sollten Gehilfen und Hilfsarbeiter, männliche und weibliche, einen gemeinsamen Weg gehen. Und der Zentralisationsgedanke kam zur Geltung, der eine einheitliche Führung in der Zentrale vorsah, der auch das Entscheidungsrecht in tariflichen und organisatorischen Fragen zuerkannt werden sollte." Mit dem Zerfall der Donaumonarchie ist natürlich auch die Größe unserer Gewerkschaft geschrumpft. 1914: 1500 Betriebe mit rund 15.000 Gehilfen; 1919: 550 Betriebe mit rund 8.000 Gehilfen. Aber das betraf eben nur die zahlenmäßige Größe, aber nicht die Kraft.

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1920
Mit 8179 aktiven und 285 invaliden Mitgliedern konnte 1920 eine Organisationsdichte von 98 Prozent im neuen Österreich festgestellt werden. Obgleich unsere Gewerkschaft auch heute noch mit ihrer Organisationsstärke an der Spitze der ÖGB-Verbände steht: 98 Prozent Organisationsdichte insgesamt wäre eine ganz schöne Vorgabe für eine Mitgliederwerbeaktion (der übrigens heute kein Antiterrorgesetz entgegenwirkt). Neben der Bedeutung, die Gewerkschaft durch ihre Mitgliedschaft stärken zu müssen, erkannten die Kollegen damals aber auch, was schon erwähnt wurde, aber immer wieder betont sei, dass es zur Gestaltung eines sozialen wirtschaftlichen und politischen Umfeldes auch einer starken politischen Beteiligung bedarf. Es war ihnen klar, dass die Gewerkschaftsaufgaben nicht an eine politische Partei zu delegieren sind, genauso wie es nicht möglich gewesen wäre, die 1919 und 1920 erzielten Fortschritte in der Sozialgesetzgebung über die Gewerkschaft allein zu realisieren. Die Kollegenschaft unterstützte daher die Sozialdemokratische Partei mit ganzen Kräften als die politische Partei, die ihre Interessen vertrat. So mancher unserer Dienstnehmer könnte heute ruhig vom Baume dieser Erkenntnis ein wenig naschen. Der Untergang wird von den Arbeitergegnern angesteuert. Bundespräsident Dr. Seipel war am 3. April 1929 zurückgetreten. Ihm folgte bis September desselben Jahres der Industrielle E. Streeruwitz. Nach ihm wurde der vormalige Polizeipräsident Dr. Johannes Schober zum Bundeskanzler ernannt. Er entsprach aber dem Machtstreben der Heimwehren auch nicht und wurde im September 1930 abgesetzt. Die Neuwahlen 1930 - erstmals kandidierten österreichweit auch Nationalsozialisten - fielen trotz starkem Druck auf die Sozialdemokraten nicht zur Zufriedenheit der Heimwehren aus. So wurde von diesen am 13. September 1931 ein Versuch gestartet, die Staatsgewalt an sich zu reißen. Die Aktion ging von der Steiermark und von Oberösterreich aus, schlug aber nach Auseinandersetzungen mit Schutzbündlern sowie nach dem Eingreifen von Militär und Polizei fehl. Der Drahtzieher, Heimwehrführer Walter Pfriemer, und die Putschisten wurden in einer Verhandlung im Dezember 1931 - wie konnte es anders sein - freigesprochen. Im April 1932 können die bisher unbedeutenden, organisatorisch der deutschen Parteileitung unterstehenden Nationalsozialisten bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen Siege verzeichnen. Im folgenden Mai übernimmt Dr. Engelbert Dollfuß die Regierungsbildung. Jetzt kam die autoritäre Staatsführung voll zur Geltung. Es ist nicht Sinn dieser Schrift, die weitere Entwicklung des Austrofaschismus zu analysieren. Sein Ursprung musste aber, wenn auch auf wenige Seiten komprimiert, aufgezeigt werden. Denn nur in einem solchen Klima konnte es zum 12. Februar 1934 kommen.

Die Organisationen der Arbeiterschaft, die politische Partei, die Gewerkschaften und die Kulturorganisationen wurden zerschlagen, der Widerstand der proletarischen Kämpfer im Blut erstickt. Was mühsam in jahrzehntelanger Arbeit unter unsäglichen Opfern durch den Idealismus einer denkenden Gemeinschaft aufgebaut worden war, wurde zerstört. Die brutale Gewalt hatte Oberhand gewonnen. Maschinengewehre und Kanonen hatten den traurigen Weg geebnet für eine rücksichtslose Diktatur. Auch in unserer Gewerkschaft wurde an diesem Tag in der Kanzlei die Anwesenden - darunter der Obmann und sein Stellvertreter - verhaftet, die Türen abgesperrt und versiegelt. Die Verbindung der Betriebsräte untereinander war abgerissen. Einige von ihnen folgten dem Beispiel der Arbeiter der Elektrizitätswerke, die ja nach dem Angriff der Söldnerhorden mit der Stromabschaltung folgen sollte, und streikten. Diese Betriebsräte wurden sofort hinter Schloss und Riegel gesetzt. Die Personale waren eingeschüchtert und verwiesen auf die unveränderte Situation in Betrieben anderer Berufe. Und die Arbeitslosen? Sie wurden vom Arbeitsamt in die stillgelegten Betriebe geschickt und - gingen. Der Chronist unterstreicht, dass aber keinesfalls Gesetze oder der Tarif verletzt worden wären. Aber die schwere Krise hatte den Widerstand, den Mut zur Abschüttlung ihres traurigen Daseins gebrochen. Es war also doch eine Situation entstanden, die solidarische Opfer ad absurdum führte. So war es besser, die gewachsenen Gemeinschaften zu erhalten und die früheren Dienstnehmer in die Unternehmungen zu bringen.

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21. Februar 1934
"So fielen Bastionen, in jahrzehntelangem Kampf und mit schweren Opfern an Gut und Freiheit aufgebaut." Als einer der ersten Maßnahmen nach den Februarkämpfen wurden die freien Gewerkschaften aufgelöst, ihre Funktionäre, aber auch Betriebsräte und Funktionäre der Selbstverwaltungseinrichtungen (Sozialversicherung) verfolgt. Alle freigewerkschaftlichen oder sozialdemokratischen Betriebsräte verloren ihr Mandat durch Regierungsanordnung, (21. Februar 1934). Im März installierte die Regierung die "Einheitsgewerkschaft", um "im Geiste des Christentums, der sozialen Gerechtigkeit und Liebe zum Vaterland", so hieß es, "den Arbeitern und Angestellten eine wirksame Interessenvertretung zu sichern und ihre Eingliederung in den berufsständischen Aufbau der Gesellschaft vorzubereiten". Der Zulauf zu den Christlichsozialen blieb freilich aus, und das Gewerkschaftsleben war zwischenzeitlich wie gestorben. Für die Organisation der Buchdrucker, Buchbinder und Senefelder wurde behördlicherseits ein Regierungskommissär eingesetzt, dann kam es zur Freigabe der zunächst konfiszierten Kassenbestände aller Verbände. Ab 4. März 1934 konnten wieder die Unterstützungszahlungen geleistet werden. In Anbetracht der vielen Hunderten von Fürsorgebedürftigen halfen Funktionäre unserer aufgelösten Organisation dabei mit, im vollen Wissen, dass dies in der Kollegenschaft auch Kritik auslösen würde. Etwa zur gleichen Zeit im März/April 1934 entstanden Gewerkschaften in der Illegalität. Die Sozialdemokraten ("Siebenerkomitee") und Kommunisten ("Wiederaufbaukommission") bildeten gemeinsam den illegalen "Bund der Freien Gewerkschaften". Dieser errichtete in Brünn eine internationale Verbindungsstelle, wo auch Konferenzen abgehalten wurden. Am 25. Juli 1934 erlag der Festiger des Austrofaschismus, Dr. Engelbert Dollfuß, bei einem an und für sich fehlgeschlagenen Putschversuch der Nationalsozialisten einem Mordanschlag. Dr. Kurt Schuschnigg trat Dr. Dollfuß´ Nachfolge an. Trotz ihrer Illegalität traten die "Freien Gewerkschaften" gelegentlich in Erscheinung. Wohl zuletzt am 7. März 1938 mit einer Versammlung im Floridsdorfer Arbeiterheim.

Unter Beiseiteschieben allen Gewesenen versuchten sie, Dr. Kurt Schuschnigg zur Errichtung einer österreichischen Front gegen den Nationalsozialismus Hitlers zu bewegen. Der Bundeskanzler zögerte aber, zögerte zu lange. Eine Woche darauf, zu Vernunft gekommen, war es zu spät. Wenn bereits festgestellt wurde, dass es nur in diesem schon von gegen die Arbeiterschaft gerichteten Terror und Gewalt geprägten Klima zu den Ereignissen von 1934 kommen konnte, so muss man unterstreichen, dass erst die folgende Politik der Machtzuteilung an gruppenegoistische, gesellschaftspolitisch kurzsichtige und wirtschaftspolitisch unfähige Kreise sowie die Eingliederung der neuen "christlichsozialen" Gewerkschaften in diesen Machtkreis die Struktur Österreichs dermaßen spaltete, dass ein Jahr 1938 in der erlebten Form erst zustande kommen konnte. Jetzt möge aber keiner mit der Weisheit kommen, daß viele Sozialisten ohnedies den Anschluss an Deutschland wollten. Das Deutschland Hitlers 1938 hatte schon längst nichts mehr mit dem Deutschland gemein, in das Dr. Karl Renner Deutsch-Österreich 1918 führen wollte, was ja nach dem Versailler Vertrag (Art. 80) nicht ermöglicht worden war. Und bewusste Irreführung ist es, der Okkupation Gutes anzudichten, etwa was die Vermittlung von Arbeitslosen oder überhaupt die Beseitigung der Arbeitslosigkeit betrifft. Die überwiegende Mehrheit der Zwangsvermittlungen endete in oft menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen. Mit der ohne militärischen Widerstand, aber immerhin gewaltsam erfolgten Besetzung Österreichs nahm das auf sieben Jahre komprimierte "tausendjährige" Großdeutsche Reich seinen Anfang: Es währte eben nur sieben Jahre und hinterließ ein Erbe, als hätte es tatsächlich tausend Jahre drauflos wüten können. Mit der Besetzung Österreichs fielen die letzten von den hierorts herrschenden Diktatoren im Taschenbuchformat verbliebenen Freiheiten. Das, was sich Gewerkschaften nannte, der christliche Gewerkschaftsbund mit seinem ständischen Aufbau, wurde aufgelöst, und die DAF (Deutsche Arbeiterfront) täuschte gewerkschaftliches Tun erst gar nicht vor. Unser Gewerkschaftshaus, seit 1927 im Besitz des Reichsverbandes stehend und 1934 von der Regierungsgewerkschaft belegt, wurde nun von der DAF besetzt.

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1939
Diese verlegte die Geschäfte dann an ihren Sitz in der Theobaldgasse und verkaufte das Haus Ecke Seidengasse/Zieglergasse. Über Löhne und Arbeitsverhältnisse befand ein "Reichstreuhänder der Arbeit", der auch sonst für alle Fragen des wirtschaftlichen Lebens zuständig war. Wirksam war damals das Gesetz "Ordnung der nationalen Arbeit". Es dominierte auf dem Gesetzessektor, österreichische einschlägige Gesetze und Kollektivverträge verloren ihre Gültigkeit, die diesbezüglichen deutschen Normierungen brachten nur Verschlechterungen. "Der Kampfgeist der graphischen Arbeiter erlahmte auch in dieser Zeit nicht. Sie wehrten sich gegen unwürdige Zustände, gegen die Unterdrückung, gegen Zwang, gegen die Unfreiheit." Lang ist die Liste unserer Mitglieder, die dem Nazitum zum Opfer fielen. Sie umfasst Buchdrucker, Senefelder und Buchbinder, Funktionäre, Gehilfen und Hilfsarbeiter in gleicher Weise. Männer und Frauen, derer wir heute nur gesenkten Hauptes in Ehrfurcht gedenken können und in deren Sinne wir für Recht und Freiheit eintreten wollen. Wie immer und überall, wo Freiheit verlorengeht, gab es in unseren Berufen durch Reduzierung der gedruckten Meinungsvielfalt Beschäftigungseinbrüche. Freilich, Stellensuche war jetzt kein Problem mehr. Die Betroffenen wurden ganz einfach zwangsweise zum Autobahnbau oder in die Rüstungsindustrie beordert. Und das ja auch nicht für lange Zeit. 1939 wurden die meisten ins Feld gerufen. Nun nicht "viribus unitis" für Kaiser und Vaterland, sondern um für "Führer, Volk und Vaterland" zu sterben. Eine Gruppe Größenwahnsinniger der deutschen "Kulturnation" hatte zur Eroberung der Welt angesetzt und den Zweiten Weltkrieg begonnen. In der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung war eine riesige Lücke gerissen. Nur ganz wenige Männer und Frauen beschäftigten sich in diesen Tagen mit möglichen Formen einer zukünftigen Gewerkschaftsarbeit.

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1945
1945 fand der Schrecken sein Ende. Europa erlebte eine Neuordnung, Österreich eine Wiedergeburt - jetzt als Zweite Republik - und die Gewerkschaften nahmen einen neuen Anfang, für viele von uns bereits erlebte Geschichte. Dieser Zweite Weltkrieg hatte ein von den vier Siegermächten besetztes, wirtschaftlich total zerstörtes, im wahrsten Sinne des Wortes darniederliegendes Österreich zurückgelassen. Insgesamt in einer wesentlich ungünstigeren Situation als etwa nach dem Ersten Weltkrieg. Es war eine gewaltige Aufbauarbeit zu leisten, und es war klar, dass diese auf die Arbeiter und Angestellten zukommen würde. Ihrer Bedeutung dabei entsprechend sollte daher auch ihre Stellung im neuen Staat von Beginn an gesichert sein. Schon vor der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht (7. Mai 1945) wurde am 13. April 1945 in der Wohnung des späteren stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter in Anwesenheit der Kollegen Böhm, Gottlieb, Pfeffer und Vizthum die GRUNDIDEE FÜR DEN ÖSTERREICHISCHEN GEWERKSCHAFTSBUND geboren, dessen GRÜNDUNG AM 15. APRIL 1945 im Direktionsgebäude der Wiener Westbahn beschlossen und am 30. April 1945 von der Sowjetischen Militärkommandantur bewilligt wurde.



Kurz nach Gründungsbeschluss wurde mit dem Aufbau der Organisation begonnen. Es war vereinbart worden, dass dies unter der Beteiligung der drei angemeldeten Parteien (SPÖ, ÖVP und KPÖ) ablaufen sollte. Der ÖGB selbst blieb wie vorgesehen überparteilich, die Vertretung seiner Ziele und Aufgaben in den genannten Parteien erfolgte durch die innerhalb der Gewerkschaften und des ÖGB gebildeten Fraktionen. An die Arbeiter und Arbeiterinnen erging die Aufforderung, am Wiederaufbau der Betriebe mitzuhelfen. Unter unbeschreiblichen Umständen machten sie sich an die Arbeit, so dass die österreichische Wirtschaft, wenn auch unter unglaublich schwierigen Umständen und anfänglich dementsprechend langsam, so doch wieder in Schwung kommen konnte. ÖGB-Präsident Johann Böhm hatte in der provisorischen Regierung das Staatssekretariat für soziale Verwaltung übernommen; ihm folgte nach den Wahlen 1945 Karl Maisel, Vorsitzender der Gewerkschaft der Metall- und Bergarbeiter, zwei Männer also, die um die Notwendigkeit einer zukunftsorientierten Sozialpolitik Bescheid wussten und diese auch garantierten. Daneben wirkte der ÖGB in den ersten Jahren des Wiederaufbaues auch österreichweit gesamtwirtschaftlich, inflations- und notstandsmildernd mit insgesamt fünf, nicht immer unumstrittenen Lohn- und Preisabkommen. Das erste dieser Art wurde am 1. August 1947 abgeschlossen. Es führte nicht ganz zum erwünschten Erfolg, weil man sich bei der Preisgestaltung nicht an das Abkommen hielt. Zur Verhinderung größerer Inflationseinbrüche wurde mit einem Währungsschutzgesetz 1947 eine Währungsreform durchgeführt. Beträge bis 150 Schilling wurden 1 : 1, höhere Beträge, Guthaben und Spareinlagen 3 : 1 umgetauscht. Das zweite Lohn- und Preisabkommen folgte im Oktober 1948, das dritte mit Ende Mai 1949. Mit Unzufriedenheit wurde das vierte Preisabkommen von den Arbeitnehmern aufgenommen. Neben einigen Streiks wollten vor allem die Kommunisten die Gelegenheit wahrnehmen, Betriebe zu besetzen. Ihr Wollen war aber leicht durchschaubar und wurde von den Beschäftigten selbst verhindert. Mit einem fünften Lohn- und Preisabkommen (9. August 1951) wurde die Reihe dieser Abkommen abgeschlossen. Mit diesen generellen Lohn- und Preisregelungen wurden zweifellos schwächeren Gruppen Lohnzuwächse gesichert, die sie auf sich allein gestellt nicht erreicht hätten. Mit der Akzeptanz dieser wirtschaftsorientierten Lohnabkommen hat aber die arbeitende Klasse ihrem Land und der Wirtschaft große politische und finanzielle Schwierigkeiten erspart.

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18. April 1945
Auch unsere Gewerkschaft wird wieder aktiv. Erreichbare Kollegen unserer Gewerkschaft traten am 18. April 1945 zu einer ersten informativen Sitzung zusammen, um einen provisorischen Ausschuss zu bilden. Die damals festgelegten Strukturen des ÖGB bestehen - abgesehen vom Zusammengehen einiger Gewerkschaften - heute noch, und sie liegen auch unserer Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier - bis 1965 Gewerkschaft der Arbeiter der graphischen und papierverarbeitenden Gewerbe Österreichs - zugrunde. Unsere früheren Organisationen der Buchdrucker, Buchbinder und Senefelder wurden österreichweit zusammengeschlossen. Dazu die Geschäftsordnung: "Die Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier ist die Organisation für alle Arbeiter und Arbeiterinnen, technischen Angestellten und Lehrlinge jeden Geschlechtes, die in Hoch-, Tief-, Siebdruckereien, Satzherstellungsbetrieben, kartographischen Anstalten, Schriftgießereien, Reproduktionsanstalten, Druckereien nach einfachen Verfahrensarten; Vervielfältigungsanstalten, Buchbindereien, in Papierkonfektions-, Kartonage-, Verpackungs-, Wellpappe-, Etui-, Zigarettenhüllenbetrieben oder in sonstigen papierverarbeitenden Betrieben, in photographischen Anstalten oder in Unternehmungen beschäftigt sind, die sich mit dem Expedit, dem Vertrieb und/oder der Zustellung von Tages- und Wochenzeitungen beschäftigen."   Innerorganisatorisch wird die Struktur unserer Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier durch die Geschäftsordnung, regional in Landesstellen (Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Steiermark und Kärnten) beziehungsweise eine Landesgruppe (Wien, Niederösterreich, Burgenland) gegliedert. Die fachliche Zusammensetzung sieht drei Berufsgruppen vor, und zwar

  • den Druckvorbereich,
  • Druck und
  • die Weiterverarbeitung.

Die direkte Willensbildung geht regional von der Kollegenschaft in den Betrieben über die Ortsgruppen, über die Landesstellen beziehungsweise über die Landesgruppe aus, werden nach Beratung vor den Zentralvorstand, vor die Länderkonferenzen, vor das Präsidium der Gewerkschaft und vor den Gewerkschaftstag als höchstem Forum gebracht. Des weiteren gibt es eine direkte Vertretung der Kollegenschaft aus den Betrieben in den Fachgruppen, von wo aus die Interessen ebenfalls den Weg über die angeführten Gremien gehen. Seit dem Jahre 1945 wurde die Geschichte der Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier durch die Bildung des österreichischen Gewerkschaftsbundes mit diesem auf das Engste verbunden. Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen wurden seither im Einklang mit dem ÖGB gemeinsam durchgesetzt. Bei den damit verbundenen Verbesserungen im Arbeitsrecht konnte die dup aber auch nach 1945 ihre durch viele Jahre erworbene Vorreiterstellung fortsetzen, und dies kann noch an anderer Stelle dieser Homepage nachgelesen werden.

Herausgeber: Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier - Graphischer Bildungsverband

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